Forderungen der Lebenshilfe
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Forderungen
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Aktuelle Forderungen der Lebenshilfe an die Politik

Menschen mit Behinderung brauchen Unterstützung – damit alle gleichberechtigt teilhaben können. Die aktuell wichtigsten Forderungen der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen und Familien finden Sie hier.

Parlamentarischer Abend 2023

Faire Pflege für Menschen mit Behinderung

Pflege und Pflegereform
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Menschen mit Behinderung sind häufig auch pflegebedürftig. Sie benötigen dann Pflegeleistungen neben den Leistungen zur Teilhabe. Pflege- und Teilhabeleistungen ersetzen sich nicht, sondern ergänzen einander. Jede Reform der Pflegeversicherung muss die sensible Schnittstelle zur Eingliederungshilfe im Blick haben und den Fortbestand beider Leistungen ohne Leistungslücken sichern.

Seit Jahrzehnten kämpft die Lebenshilfe für eine Neuregelung des § 43a im Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI). Nach dieser Regelung erhalten Menschen mit Behinderung, wenn sie in einem "Wohnheim" leben und mindestens Pflegegrad 2 haben, maximal 266 € von der Pflegeversicherung. Andere Versicherte erhalten Pflegegeld zwischen 316 und 901 € oder häusliche Pflegehilfe zwischen 724 und 2.095 €. Diese Ungerechtigkeit muss beendet werden. Menschen mit Behinderung sollen auch in sogenannten "besonderen Wohnformen" frei wählen dürfen, ob sie Pflegegeld erhalten oder einen Pflegedienst beauftragen wollen.

Für Familien mit Kindern mit Behinderung stellt vor allem die Verhinderungspflege eine wichtige Leistung dar. Sie ermöglicht eine vorübergehende Ersatzpflege zur Entlastung der Pflegeperson und kann flexibel, auch stundenweise, in Anspruch genommen werden. Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 verspricht, dass die Kurzzeit- und Verhinderungspflege in einem unbürokratischen, transparenten und flexiblen Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammengefasst wird. Genau das braucht es. Denn der Anspruch auf Kurzzeitpflege läuft vor allem für junge Kinder – für die eine Trennung von den Eltern und eine stationäre Versorgung nicht in Frage kommt – zumeist ins Leere.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert: 

  1. § 43a Sozialgesetzbuch XI muss neu geregelt werden. Pflegebedürftige Menschen mit Behinderung müssen die Leistungen der häuslichen Pflege unabhängig von ihrem Wohnort erhalten. Auch wenn sie in einer besonderen Wohnform leben sollen sie die Wahl haben, ob sie dort Pflegegeld, Pflegesachleistung oder eine integrierte Teilhabe-Pflegeleistung erhalten wollen.
  2. Ein flexibles Entlastungsbudget, das die Leistungen der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen flexibel und auch stundenweise einsetzbar macht.

Inklusive Arbeit und gerechte Entlohnung

Werkstattrat in der WfbM
© Lebenshilfe/David Maurer

Menschen mit Behinderung haben aufgrund von Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) das Recht darauf, ihren Lebensunterhalt durch eine frei gewählte Arbeit zu verdienen und in einem frei zugänglichen Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert:

  1. Eine Reform der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Personenzentrierung und Selbstbestimmung müssen auch für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gelten. Die Zahl an inklusiven, barrierefreien Arbeitsplätzen muss in allen Unternehmen ausgebaut werden.
  2. Eine gerechte Entlohnung von Menschen mit Behinderung, die sie unabhängig von Grundsicherungsleistungen macht. Knapp ein Drittel der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind heute auf ergänzende Grundsicherung angewiesen.
  3. Auch im Alter müssen Menschen mit Behinderung unabhängig von existenzsichernden Leistungen leben können. Eine angemessene Alterssicherung ist unverzichtbar. Der rentenrechtliche Status quo ist somit im Rahmen der künftigen Reformen ein unbedingt aufrechtzuerhaltender Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderung.

Inklusive Kinder- und Jugendhilfe

Eltern mit Beeinträchtigung
© Lebenshilfe/David Maurer

2021 ist der erste Schritt zu mehr Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe ins Gesetz geschrieben worden. Nun sollen in einem Beteiligungsprozess mit Ländern, Kommunen und Verbänden notwendige Anpassungen zur Umsetzung der inklusiven Jugendhilfe im SGB VIII erarbeitet und in dieser Legislatur gesetzlich geregelt und fortlaufend evaluiert werden.

Die Lebenshilfe wird sich hieran aktiv beteiligen. Es ist an der Zeit, dass zum 1. Januar 2028 tatsächlich das Jugendamt für alle Kinder und Jugendliche – ob mit oder ohne Behinderung – insgesamt zuständig wird. Hierfür müssen aber auch verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen und die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden.

Damit Inklusion in der Jugendhilfe gelingt, ist eine deutliche Verbesserung der finanziellen, rechtlichen und personellen Ausstattung notwendig.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert:

  1. Die Leistungen der Eingliederungshilfe für die Teilhabe und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung müssen künftig unabhängig vom Einkommen und Vermögen ihrer Eltern geleistet werden. Im Koalitionsvertrag steht bereits: "... wir wollen weitere Schritte bei der Freistellung von Einkommen und Vermögen gehen." Diese Schritte müssen die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung in den Blick nehmen.
  2. Ein inklusives SGB VIII, das die Leistungen der Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendlichen mit (drohender) Behinderung unabhängig von der Art der Beeinträchtigung unter dem Dach des SGB VIII zusammenführt.
  3. Eine angemessene Finanzierung der Mehrkosten für die Umsetzung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe.

Familien entlasten

Behinderung bei Kindern
© Lebenshilfe/David Maurer

Die zeitlichen Bedürfnisse von Familie, Schule und Arbeitswelt passen selten gut zusammen. Es gibt bundesweit zu wenig ganztägige inklusive Bildungs- und Betreuungsangebote, um den Bedarf zu decken. Ebenso fehlt es an Angeboten der Kinder- und Jugenderholung. Inklusiv ausgestaltet sind die wenigsten. Die Lösung lautet für viele Familien mit einem Kind oder Jugendlichen mit Behinderung deshalb häufig: Ein Elternteil arbeitet gar nicht oder in Teilzeit. In der Regel sind es die Mütter, die beruflich zurückstecken – mit den bekannten Auswirkungen für das aktuelle Familieneinkommen und die zukünftige Rente.

Die besonders gravierenden Unterstützungsbedarfe und Inklusionshürden von Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung und der daraus resultierende politische Handlungsbedarf sind in der im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellten Studie vom November 2022 belegt. Eine Entlastungsleistung, die Eltern von Menschen mit Behinderung erhalten, ist das Kindergeld auch nach dem 25. Lebensjahr des Kindes, wenn das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dieser finanzielle Ausgleich für die Unterstützungsleistung der Eltern ist zwingend erforderlich und muss auch bei der Schaffung einer Kindergrundsicherung erhalten bleiben.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert: 

  1. Die zeitnahe Einführung der im Koalitionsvertrag bereits angekündigten neuen Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten. Die Leistung sollte steuerfinanziert nach dem Vorbild des Elterngeldes auch für Angehörige von Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen, die in bestimmten Lebensphasen Zeit für die Betreuung und Unterstützung ihrer Angehörigen benötigen. 
  2. Die Einführung einer niedrigschwelligen Familienentlastungsleistung für alltagspraktische haushaltsnahe Unterstützungs- oder Betreuungsleistungen für belastete Familien.
  3. Das Kindergeld für die Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung, die sich nicht selbst unterhalten können, muss bestehen bleiben.

Sozialen und barrierefreien Wohnraum schaffen

Begleitete Elternschaft und Elternassistenz
© Lebenshilfe/David Maurer

Das Einkommen vieler Menschen mit Behinderung ist gering. Laut dem Zweiten Teilhabebericht der Bundesregierung liegt das Armutsrisiko von Menschen mit Behinderung bei 20 Prozent. 2022 wurde die Situation durch die stark gestiegenen Energiekosten, die hohe Inflation, allgemeine Preissteigerungen, den Wohnungsmangel sowie massiv steigende Mieten (vor allem in Ballungszentren) weiter verschärft.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert: 

  1. Der soziale Wohnungsbau sollte zu 100 Prozent nur barrierefreie Wohnungen fördern.
  2. Die 14,5 Milliarden Euro Bundesmittel an die Länder für den sozialen Wohnungsbau müssen unbedingt in allererster Linie in den Bau und Umbau von barrierefreien Wohnungen fließen. Andernfalls ist das Ziel des Bundesteilhabegesetzes, dass mehr Menschen mit Behinderung in eigenen Wohnungen leben und unterstützt werden können, langfristig nicht zu erreichen.
  3. Außerdem muss eine neue Musterbauordnung geschrieben werden, die strenge Vorgaben zur Anzahl von barrierefreien Wohnungen pro Gebäude verankert.
  4. Die Stromkosten sollten aus den Regelsätzen herausgelöst und über die Kosten der Unterkunft finanziert werden.

Diskriminierung verhindern

Barrierefreiheit – Weg mit den Hindernissen
© Lebenshilfe/David Maurer

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sieht vor, dass die Vertragsstaaten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung verbieten und geeignete Maßnahmen treffen, um Barrieren abzubauen. Seit 15 Jahren fehlt es an einer zufriedenstellenden Umsetzung. Deutschland muss in allen Lebensbereichen des öffentlichen und privaten Lebens barrierefrei werden. Dazu braucht es ein zügiges und engagiertes Vorgehen der Politik.

Neben dem Behindertengleichstellungsgesetz müssen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und zahlreiche Sondergesetze, wie das Gaststättengesetz, die Bauordnungen u.v.m. reformiert werden. Das Versprechen der Koalition, noch in dieser Legislaturperiode private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren oder zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen zu verpflichten, muss zeitnah erfüllt werden.

Auch das Gesundheitswesen in Deutschland ist nicht barrierefrei. Zurzeit sind nur etwa 26 Prozent der Haus- und Facharztpraxen barrierefrei. Es müssen finanzielle Anreize geschaffen werden, um Ärzt*innen, Heil- und Hilfsmittelerbringer*innen sowie Apotheker*innen beim Umbau ihrer Praxen und Geschäftsräume zu unterstützen. Außerdem sollte die Neubesetzung eines Vertragsarztsitzes im Sinne des § 103 Absatz 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V grundsätzlich nur noch an barrierefreie Praxen erfolgen. Daneben muss der Umgang und die Behandlung von körperlich, geistig oder psychisch beeinträchtigten Patient*innen systematisch in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzt*innen integriert werden. Darüber hinaus sollte die Selbstverwaltung in den Vergütungsvorgaben für Ärzt*innen und Hilfsmittelerbringer endlich angemessene finanzielle Zuschläge für die teilweise aufwändigere Behandlung von Menschen mit Behinderung vorsehen. Schließlich sind die Krankenkassen zu verpflichten, vermehrt Informationen über Gesundheitsleistungen in barrierefreier Form, beispielsweise in Leichter Sprache, zur Verfügung zu stellen.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert: 

  1. Deutschland muss in allen Lebensbereichen des öffentlichen und privaten Lebens barrierefrei werden.
  2. Das Behindertengleichstellungsgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und zahlreiche Sondergesetze, wie das Gaststättengesetz, die Bauordnungen u.v.m. müssen reformiert werden, so dass auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren oder zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen verpflichtet werden.
  3. Auch das Gesundheitswesen, d. h. Gesundheitseinrichtungen und Informationen über Gesundheitsleistungen, müssen barrierefrei werden. Das bedeutet gerade auch für Menschen mit geistiger Behinderung, dass das medizinische und pflegerische Personal mehr Zeit und Kenntnisse braucht, um bei der Behandlung auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung eingehen zu können.

Teilhabe für geflüchtete Menschen mit Behinderung

Flucht und Teilhabe
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Der Krieg in der Ukraine bringt immer noch entsetzliches Leid über die ukrainische Bevölkerung. Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung sind davon in besonderem Maß betroffen. Geflüchtete Menschen mit Behinderung müssen schnell und unbürokratisch die notwendige Unterstützung erhalten. Dazu gehört auch ihr Zugang zu den Leistungen der Eingliederungshilfe.

Der zeitnahe Zugang zu den Unterstützungsleistungen schafft notwendige Sicherheiten. Zugang zu Schule, Ausbildung und Angeboten der sozialen Teilhabe sowie der Teilhabe am Arbeitsleben bieten Stabilisierung und öffnen Perspektiven. Hierfür ist es nach wie vor erforderlich, § 100 Abs. 2 SGB IX aufzuheben. Nach dieser Vorschrift haben Menschen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind, keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Zwar bewilligen manche Träger der Eingliederungshilfe entsprechende Leistungen nach einer Ausnahmeregelung im Asylbewerberleistungsgesetz, bei weitem jedoch nicht alle. Auch die medizinische Versorgung für geflüchtete Menschen muss grundsätzlich und bundesweit sichergestellt werden.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert:

  1. Die konsequente Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) in nationales Recht. Das bedeutet insbesondere auch die Erhebung des Merkmals Behinderung bei der Aufnahme und die Ermittlung der Unterstützungsbedarfe (Art. 21 und Art. 22 Abs. 1 der RiLi).
  2. Das Aufheben der aufenthaltsrechtlichen Zugangsbeschränkungen zu den Leistungen auf Rehabilitation und Teilhabe sowie die Streichung des § 100 Abs. 2 im SGB IX.
  3. Ein umfassendes Beratungs- und fachlich begleitetes Selbsthilfeangebot in den Muttersprachen der in Deutschland lebenden geflüchteten und vertriebenen Menschen mit Behinderung.

Selbstvertreter*innen beteiligen – politische Teilhabe ist unverzichtbar

Bundestagswahl und Parlament
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Als Selbstvertreter*innen kämpfen Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung heute neben Eltern und Fachleuten immer stärker selbst für ihre Belange, umfassende Teilhabe und Inklusion.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert:

  • Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Verbände müssen an der Vorbereitung, Beratung und Evaluation von für sie relevanter Gesetzgebung beteiligt werden.
  • Politische Beteiligungsprozesse müssen so barrierefrei gestaltet werden, dass sich auch Selbstvertreter*innen mit sogenannter geistiger Behinderung beteiligen können.
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