Rechtsdienst kompakt
Seit der Ausgabe 2/2019 des Rechtsdienstes stellen wir interessante Rechtsprechung und Neuerungen aus der Gesetzgebung in aller Kürze für Sie dar – verständlich und mit hoher Aktualität.

Hinweis: Der folgende Kompaktbeitrag wurde im Rechtsdienst der Lebenshilfe abgedruckt und erstveröffentlicht. Hier können Sie sich über die aktuelle Ausgabe des Rechtsdienstes informieren.
Merkzeichen „aG“ auch bei geistiger Behinderung
Die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung („aG“) kommt auch dann in Betracht, wenn das körperliche Gehvermögen selbst nicht beeinträchtigt ist, sondern die Einschränkung der Mobilität aus einer geistigen Behinderung folgt.
So verhielt es sich im Fall der 2001 geborenen, kleinwüchsigen Klägerin mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 100. Bedingt durch ihre globale Entwicklungsstörung bei atypischem Autismus verweigert sie mehrmals täglich die Fortbewegung, wirft sich auf den Boden und ist nur unter größter Anstrengung ihrer Begleitperson zum Aufstehen zu bewegen.
Das SG Münster hielt die Voraussetzungen des § 229 Abs. 3 SGB IX aufgrund dieser Sachlage für erfüllt (Urteil vom 17.11.2021 – Az: S 25 SB 314/20). Es stellte allerdings heraus, dass auch nach der Neuregelung der Vorschrift im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (vormals: § 146 Abs. 3 SGB IX) grundsätzlich eine restriktive Auslegung geboten sei. So müsse bei Vorliegen einer geistigen Behinderung eine dauerhafte und erhebliche Beeinträchtigung bestehen, die eine Rollstuhlnutzung auch auf kurzen Wegstrecken erforderlich mache.
Bei der Klägerin sei dies angesichts ihres unvorhersehbaren Verhaltens zum Ausschluss von Eigen- oder Fremdgefährdungen im Stadtverkehr der Fall (vgl. auch „Zum Merkzeichen „aG“ bei Autismus“, RdLh 2/2020, S. 100 f.). (Me)
(Rechtsdienst der Lebenshilfe: Ausgabe 2/22, S. 96)
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