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Erwachsen werden mit Behinderung
Volljährig – und jetzt? Junge Menschen sind dann grundsätzlich allein für ihr Handeln verantwortlich. Auf dieser Seite geben wir einen Überblick, auf was es jetzt unter anderem zu achten gilt.
Endlich 18: Was Menschen mit Behinderung wissen müssen

Die Volljährigkeit eines Kindes bringt viele Veränderungen mit sich. Die jungen Erwachsenen sind ab dem 18. Geburtstag zum Beispiel geschäftsfähig (das gilt grundsätzlich auch für Menschen mit Behinderung).
Voll geschäftsfähige Menschen können zum Beispiel Verträge abschließen und etwa einen Mietvertrag allein unterzeichen. Was viele nicht wissen: Auch für einen jungen Menschen mit Behinderung können jetzt nicht mehr ohne Weiteres die Eltern entscheiden. Es müssen Änderungen beachtet werden, zum Beispiel im Leistungsrecht.
Überblick für volljährige Menschen mit Behinderung
Worum es genau geht, haben wir hier für Sie zusammengestellt (mit einem Klick öffnen sich die Kapitel):
Die beitragsfreie Familienversicherung des jungen Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung kann über den 18. Geburtstag hinaus ohne Altersgrenze fortgesetzt werden. Die Bedingung: Er ist durch seine Behinderung nicht in der Lage, seinen Unterhalt selbst zu verdienen. Eltern müssen dazu bei der betreffenden Krankenkasse einen Antrag stellen. Ist der junge Mensch in einer Werkstatt oder bei einem anderen Leistungsanbieter beschäftigt, muss er sich allerdings selbst krankenversichern.
Lebt ein junger Mensch nach seinem 18. Geburtstag weiterhin bei seinen Eltern oder zieht er in einer eigenen Wohnung, stehen ihm die Leistungen der Pflegeversicherung weiterhin neben den Leistungen der Eingliederungshilfe zu.
Das gilt auch, wenn er in Wohngemeinschaften (WG) zieht, zumindest wenn diese konkrete WG schon am 31.12.2019 als ambulant betreute WG galt. Ansonsten wird der Anspruch auf die Pflegeleistungen davon abhängen, ob die WG die Merkmale einer quasi-stationären Einrichtung erfüllt.
Reichen die Leistungen der Pflegeversicherung nicht aus, kommen – bei Bedürftigkeit – Leistungen der Hilfe zur Pflege in Betracht. Seit 01.01.2020 gilt für das Verhältnis von Eingliederungshilfe zur Hilfe zur Pflege eine Besonderheit: Hat der Mensch mit Behinderung bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, ist die Hilfe zur Pflege Teil der Eingliederungshilfe, solange die Teilhabeziele erreichbar sind. Das heißt: Die Leistung der Eingliederungshilfe „umfasst“ auch diese Anteile der Hilfe zur Pflege. Diese besondere Regelung wird als Lebenslagenmodell bezeichnet.
Zieht der junge Mensch hingegen in eine besondere Wohnform, erhält er nicht die regulären Leistungen der Pflegeversicherung. Denn in besonderen Wohnformen „umfassen“ die Leistungen der Eingliederungshilfe auch pflegerische Bedarfe. Sie werden von den Mitarbeitenden der besonderen Wohnform abgedeckt. Die Pflegeversicherung beteiligt sich mit einem Betrag von max. 266 Euro an den Kosten der besonderen Wohnform. Verbringt der Mensch mit Behinderung seine Wochenenden z. B. bei seinen Eltern, erhalten diese für jeden begonnenen Tag anteiliges Pflegegeld.
Die Familienkasse zahlt Eltern von Kindern mit Behinderung das Kindergeld über den 18. Geburtstag hinaus unbegrenzt weiter. Die Voraussetzungen: Die Behinderung ist vor dem 25. Geburtstag eingetreten. Und der junge Mensch ist nicht in der Lage, seinen notwendigen Lebensbedarf selbst zu erwirtschaften.
Versorgungsämter überprüfen mit Eintritt der Volljährigkeit häufig den Grad der Behinderung und die Voraussetzungen für das Vorliegen bestimmter Merkzeichen. Der Hintergrund: Manche junge Erwachsene können im Verlauf ihrer Entwicklung lernen, mit ihrer Behinderung auch ohne fremde Hilfe umzugehen. Sie brauchen dann nicht mehr das Merkzeichen H. Merkzeichen sollten allerdings nicht pauschal aberkannt werden – wenn das passiert, können Rechtsmittel eingelegt werden.
Wenn ein junger Mensch mit geistiger Behinderung seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen kann, gibt es drei Möglichkeiten.
- Ist er erwerbsfähig, kommen Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) in Betracht.
- Befindet sich der junge Volljährige im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt oder eines anderen Leistungsanbieters bzw. erhält er ein Budget für Ausbildung, stehen ihm Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu. Gleiches gilt, wenn eine dauerhafte volle Erwerbsminderung bei ihm festgestellt worden ist. Wenn ein Elternteil mehr als 100.000 Euro jährlich verdient, müssen die Eltern einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von derzeit 26,49 Euro zahlen.
- Wenn weder die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II noch für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfüllt sind, kommen für den jungen Volljährigen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Betracht. Auch hier müssen Eltern nur dann einen Unterhaltsbeitrag von derzeit 26,49 Euro/Monat zahlen, wenn ein Elternteil mehr als 100.000 Euro jährlich verdient.
Es sollte am besten schon deutlich vor dem 18. Geburtstag geklärt werden, ob ein junger Mensch wegen seiner geistigen Behinderung in rechtlichen Fragen Unterstützung braucht. Gegebenenfalls kann das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer bestellen. Beratung rund um die Betreuung bekommen er und seine Eltern beim Betreuungsverein, der Betreuungsbehörde und dem Betreuungsgericht.