Herausforderndes Verhalten fordert alle
Ein sperriger Begriff – herausforderndes Verhalten. Eltern von Kindern mit Behinderung wissen allerdings, welches Spektrum an schwierigen Momenten sich dahinter verbergen kann. Wie viel Zeit es kostet, wie die Blicke von Passanten wehtun können. Oder die Frage, ob man irgendetwas besser machen könnte, in einer Situation, an der doch niemand die Schuld trägt.

„Wenn jemand immer wieder etwas tut, was wir nicht gut finden, dann fällt es uns negativ auf. Dann nennen wir es eine Verhaltensauffälligkeit. Wir sagen dazu auch herausforderndes Verhalten, weil es uns herausfordert zu überlegen, wie man dem Menschen helfen kann. Menschen können vieles tun, was wir als herausfordernd empfinden. Manche greifen zum Beispiel andere an, schlagen, kratzen oder ziehen an den Haaren. Oder sie machen Dinge kaputt. Oder sie schreien, rennen umher und stören andere beim Arbeiten oder beim Lernen.“
Wie kann man auf solche Situationen eingehen, damit niemand zu Schaden kommt? Diese Frage müsse auch für jene Menschen gelten, die sich zurückziehen, sich mit sich selbst beschäftigen. Die zentrale Frage lautet: Warum tun sie das und welche Bedürfnisse bringen sie damit zum Ausdruck?
„Menschen haben gute Gründe für ihr Verhalten“, sagt Professor Theo Klauß, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Menschen mit Lernschwierigkeiten seien drei- bis viermal so oft verhaltensauffällig – warum das so ist, erklärt der Wissenschaftler so: „Wir nehmen an, dass Menschen mit Behinderung besonders verletzlich sind. Wegen ihrer Beeinträchtigungen beim Wahrnehmen und Denken haben sie zum Beispiel mehr Schwierigkeiten als andere, eine Situation richtig zu verstehen. Sie bekommen dann leichter Angst oder Panik und erregen sich deshalb.
Wer nicht so gut reden kann, hat leichter das Gefühl, dass seine Anliegen nicht verstanden werden. Er wird vielleicht laut oder wütend, um auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Wenn er sich über etwas ärgert oder Streit hat, kann er das schwerer mit Worten austragen. Deshalb schlägt, kratzt, schreit er eher als andere. Menschen mit Lernschwierigkeiten fühlen sich oft überfordert. Eine Aufgabe ist vielleicht zu schwierig. Oder sie verstehen gar nicht, was sie jetzt tun sollen oder andere von ihnen wollen. Dann können sie in Wut kommen – oder sich auch zurückziehen.“
Bei all dem sei es entscheidend, zu beobachten, ob es Ereignisse und Situationen gibt, die das Verhalten auslösen. Denn die gute Nachricht ist: Menschen können ihr herausforderndes Verhalten ändern.
Das Kontakte-Magazin der Lebenshilfe Köln hat zum Thema ein ganzes Heft gemacht. Es heißt „Aus der Reihe getanzt“. Der Broschüre haben wir die Aussagen von Professor Theo Klauß entnommen. Außerdem berichten Eltern in der Zeitschrift aus ihrem Alltag.