Neuerungen für Menschen mit Behinderung im Überblick
Jedes Jahr treten zum Jahreswechsel viele gesetzliche Änderungen in Kraft. Dies ist auch 2023 der Fall. Im Folgenden sind wichtige Neuregelungen für Menschen mit Behinderung zusammengestellt.
Änderungen im Betreuungsrecht
Zum 01.01.2023 tritt ein neues Betreuungsrecht in Kraft. Durch dieses soll das Selbstbestimmungsrecht rechtlich betreuter Menschen gestärkt werden. Die Wünsche der rechtlich betreuten Person sind daher für die rechtliche Betreuer*in und das Gericht grundsätzlich handlungsleitend.
Änderungen im Recht der Eingliederungshilfe
Der Vermögensfreibetrag für vermögensabhängige Leistungen der Eingliederungshilfe steigt zum 01.01.2023 von 59.220 Euro auf 61.110 Euro. Auch der Einkommensfreibetrag steigt. Hintergrund dieser Erhöhungen ist die jährliche Anpassung des § 18 Abs. 1 SGB IV, der Bezugsgröße für die Bemessung des Einkommens- und Vermögensfreibetrags ist.
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Änderungen bei den existenzsichernden Leistungen
Zum 01.01.2023 treten die folgenden Änderungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Kraft:
- Bei den existenzsichernden Leistungen erhöhen sich die Regelsätze für die jeweiligen Regelbedarfsstufen:
- Regelbedarfsstufe 1: 502 Euro
- Regelbedarfsstufe 2: 451 Euro
- Regelbedarfsstufe 3: 402 Euro
- Regelbedarfsstufe 4: 420 Euro
- Regelbedarfsstufe 5: 348 Euro
- Regelbedarfsstufe 6: 318 Euro
- Es gibt einen neuen Mehrbedarf: Nach § 30 Abs. 10 SGB XII wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art der Bedarfe nicht möglich ist.
- Der Mehrbedarf für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung steigt auf 3,80 Euro pro Arbeitstag und Person.
- Änderungen bei den Kosten für die Unterkunft: Während des ersten Jahrs des Leistungsbezugs werden Leistungen für das Wohnen (nicht für die Heizung) in Höhe der tatsächlichen Kosten anerkannt (sog. Karenzzeit). Beachte: Unter bestimmten Voraussetzungen bleiben die Zeiten des Leistungsbezugs bis 31.12.2022 bei der Berechnung der Karenzzeit unberücksichtigt, vgl. § 140 SGB XII.
- Hinweis: Die o. g. Änderungen für die Unterkunft bzw. die Einführung einer Karenzzeit betreffen nicht die Bewohner*innen besonderer Wohnformen. Sie gelten auch nicht für Menschen, die ohne Mietvertrag bei ihren Eltern leben.
- Es gibt Änderungen bei der Festlegung, was zum Einkommen zählt, und auch bei der Anrechnung des Einkommens nach § 82 SGB XII.
- Es erhöhen sich die Vermögensschonbeträge für die Leistungsberechtigten auf 10.000 Euro. Auch für jede alleinstehende minderjährige Person gilt nunmehr ein Schonbetrag in Höhe von 10.000 Euro, sofern sie unverheiratet und der SGB XII-Anspruch nicht vom Vermögen der Eltern abhängig ist.
- Ein angemessenes Kraftfahrzeug (bis 7.500 Euro Verkehrswert) bleibt von der Anrechnung verschont (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII).
- Durch die Erhöhung der Regelsätze steigt auch der Mehrbedarf für die Aufbereitung von Warmwasser nach § 30 Abs. 7 SGB XII.
- Außerdem erhöht sich die Leistung für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf nach § 34 SGB XII: 134 Euro für das erste Schulhalbjahr 2023/24; 58 Euro für das zweite Schulhalbjahr 2024.
- Die Barbeträge für volljährige Heimbewohner betragen mindestens 135,54 Euro (= 27 % der Regelbedarfsstufe 1).

Änderungen beim Wohngeld
Ab 01.01.2023 werden die bisherigen Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) erhöht. Dadurch können schätzungsweise rund 1, 4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut Wohngeld beanspruchen (bisher 600.000 Haushalte).
Weitere Informationen und ein WohngeldPlus-Rechner für das Wohngeld ab 01.01.2023 sind abrufbar auf der Seite des BMWSB (Wohngeld – Reform).
Änderungen bei den Pflegeleistungen
Zum 24.12.2022 sind die folgenden Änderungen im Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz in Kraft getreten:
- Arbeitgeber von Kleinbetrieben müssen Anträge der Beschäftigten auf den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach diesen Gesetzen künftig innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Antrags beantworten und im Fall der Ablehnung begründen. Flankierend gilt für die Dauer der Freistellung Kündigungsschutz.
Änderungen bei den Leistungen zur Teilhabe an Arbeit
Zum 01.01.2023 treten die folgenden Änderungen bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Kraft:
- Der Mehrbedarf für Grundsicherungsempfänger*innen beträgt für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Werkstätten 3,80 Euro je Mittagessen. Gleiches gilt für Menschen die Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen.
- Der Grundbetrag ist Teil des Arbeitsentgelts, das im Arbeitsbereich einer Werkstatt beschäftigte Menschen erhalten. Ab dem 01.01.2023 muss dieser für alle WfbM-Beschäftigten 126 Euro betragen. Bislang mussten mindestens 109 Euro gezahlt werden. Lesen Sie hier mehr über das von Werkstätten zu zahlende Arbeitsentgelt.

Änderungen bei den Gesundheitsleistungen
Zum 01.01.2023 treten die folgenden Änderungen bei den Gesundheitsleistungen in Kraft:
- Die Hinweispflicht der Krankenkassen auf Erhöhungen des Zusatzbeitrages und das insoweit bestehende Sonderkündigungsrecht von Versicherten wird für den Zeitraum vom 01.01.2023 bis 30.06.2023 modifiziert: Die Krankenkassen müssen auf Erhöhungen, die in diesem Zeitraum wirksam werden, nicht - wie üblich - in einem gesonderten Schreiben hinweisen, sondern können die Versicherten auf „andere geeignete Weise“ informieren (§ 175 Abs. 4 S. 7 SGB V). Versicherte sollten also die Augen offenhalten, oder direkt bei ihrer Krankenkasse hinsichtlich einer etwaigen Erhöhung des Zusatzbeitrages nachfragen, um von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen zu können.
- Die Vergütungsanreize für Ärzt*innen, die für einen schnellen Behandlungsbeginn gezahlt werden, haben sich erhöht (§ 87 Abs. 2b und 2c SGB V).
- Die Vergütungsanreize für Ärzt*innen, die für die Behandlung von Neupatient*innen gezahlt wurden, sind entfallen (§ 87a Abs. 3 Nr. 5 SGB V).
- Die Krankenkassenausgaben für zahnärztliche Leistungen werden für die Jahre 2023 und 2024 begrenzt. Von dieser Begrenzung sind zahnärztliche Sonderleistungen für Menschen, die Eingliederungshilfe beziehen oder einen Pflegebedarf haben, ausgenommen (§ 85 Abs. 3a SGB V).

Änderungen bei den Corona-Sonderregelungen
Die Änderungen bei den Corona-Sonderregelungen zum 01.01.2023 können Sie dem Überblick zur Corona-Pandemie entnehmen. Dort finden Sie alle noch relevanten Sonderregelungen.
Folgende Sonderregelungen wurden erst kurz vor dem Jahreswechsel verlängert:
- Die einrichtungsbezogene Nachweispflicht für eine Impfung gegen das Corona-Virus läuft aus (§20a IfSG entfällt).
- Die Regelung zur diskriminierungsfreien Verteilung von intensivmedizinischen Ressourcen bei Versorgungsengpässen, die anderweitig auch Triage genannt wird, ist kurz vor dem Jahreswechsel zum 14.12.2022 in Kraft getreten.
- Die Kinderkrankengeldtage werden auch für das Jahr 2023 erhöht. Gesetzlich Versicherten stehen für ihr ebenfalls gesetzlich versichertes Kind 30 statt 10 Tage zu. Alleinerziehende haben Anspruch auf 60 statt 20 Tage (§ 45 Abs. 2a SGB V).
- Die Möglichkeit der Arbeitsfreistellung für 20 Arbeitstage, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen, wurde bis Ende April 2023 verlängert. Auch der entsprechende Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld wurde bis Ende April 2023 verlängert.
- Die Möglichkeit für Beschäftigte, die gleichzeitig Pflegeaufgaben übernehmen, Familienpflegezeit und Pflegezeit flexibler zu nutzen, wurde ebenfalls bis Ende April 2023 verlängert.
Änderungen beim Kindergeld
Ab 2023 beträgt das Kindergeld für jedes Kind 250 Euro.

Ausblick auf weitere relevante Änderungen im Laufe des Jahres 2023
Die Beitragshöhe in der Pflege wird sich voraussichtlich bis 31.07.2023 ändern:
- Seit 01.01.2019 beträgt der Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung (Pflegeversicherung) für alle Versicherten 3,05% der beitragspflichtigen Einnahmen (ggf. Zuschlag bei Kinderlosigkeit).
- Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte mit Beschluss vom 07.04.2022 fest, dass es Art. 3 Grundgesetz verletzt, wenn beitragspflichtige Eltern in der Pflegeversicherung unabhängig von der Zahl der Kinder, die sie betreuen und erziehen, gleich hohe Beiträge entrichten müssen (Az: BvL 3/18; 1 BvR 2824/17; 1 BvR 2257/16; 1 BvR 717/16). Versicherte mit mehr Kindern seien durch die unterschiedslose Beitragsbelastung im Verhältnis zu Versicherten mit weniger Kindern benachteiligt. Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 31.07.2023.

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