BetreuungsRechtsReform – aber richtig! – Erfolgreich!
Der Bundestag beschließt am 5. März 2021 ein neues Betreuungsrecht. Mit der Kampagne "BetreuungsRechtsReform – aber richtig!" hatte die Bundesvereinigung Lebenshilfe in den vergangen Wochen eine Reihe von Nachbesserungen gefordert. Von diesen sollen nun viele umgesetzt werden.
Nachbesserungen an der Betreuungsrechtsreform: So sollen Betreute künftig ihre Prozessfähigkeit behalten, bei Gerichtsverfahren werden sie persönlich beteiligt und die Schriftstücke werden ihnen zugestellt. Ebenso sollen zukünftig Sterilisationen gegen den natürlichen Willen von Frauen mit Behinderung ausgeschlossen sein. All dies sind wichtige Fortschritte.
Hinweis: Wenn der Bundesrat dem Gesetz im Frühjahr diesen Jahres zustimmt, wird das neue Betreuungsrecht voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Die Reform des Betreuungsrechts
Nach nunmehr 28 Jahren seit seiner Einführung unterliegt das Betreuungsrecht einer wichtigen Reform. Das Betreuungsrecht stand nicht zuletzt aufgrund rechtstatsächlicher Untersuchungen und der Beurteilung des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderung unter Kritik.
Trotz der Abkehr von der Entmündigung ist das Gebot der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung i. S. d. Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention im derzeit bestehenden System nicht durchgängig verwirklicht. Daher veröffentlichte das BMJV nach einem eineinhalbjährigen Diskussionsprozess am 23. Juni 2020 den Referentenentwurf zur Reform des Betreuungsrechts. Dieser ist auch in Leichter Sprache abrufbar.
- Beschlussempfehlung und Bericht zur Betreuungsrechtsreform
- Regierungsentwurf zur Reform des Betreuungsrechts. Stand: 25.09.2020
- Vorschläge des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Reform des Betreuungsrechts. Stand 23.06.2020
- Vorschläge des Ministeriums zur Reform des Betreuungsrechts
Hauptziele der Reform des Betreuungsrechts: Hauptziele sind es, die Selbstbestimmung und Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen im Vorfeld und innerhalb einer rechtlichen Betreuung zu stärken, die Qualität der Betreuung in der Anwendungspraxis zu verbessern und eine bessere Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes sicherzustellen.

Selbstbestimmung stärken – Betreuung verbessern
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. begrüßt in ihrer umfassenden Stellungnahme grundsätzlich die Reformvorschläge des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Reform des Betreuungsrechts. Sie sieht im Hinblick auf das Ziel, die Selbstbestimmung rechtlich betreuter Menschen konsequent zu verwirklichen und zu stärken, aber noch Verbesserungsbedarf.
- Stellungnahme der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts.
- Stellungnahme der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts sowie zur Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung.
- Forderungen der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Ein Kurzpapier mit Forderungen im Hinblick auf das Ziel, die Selbstbestimmung rechtlich betreuter Menschen konsequent zu verwirklichen und zu stärken.
- Brief des Rats behinderter Menschen zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts Verfasst von Bernd Frauendorf, Vorsitzender des Rats behinderter Menschen der Bundesvereinigung Lebenshilfe und versandt an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz..
Insofern reicht die Reform nicht weit genug und setzt den ursprünglichen Paradigmenwechsel – weg von der Bevormundung hin zur rechtlichen Unterstützung – immer noch nicht konsequent um. Deutlich wird dies auch daran, dass das Betreuungssystem weiterhin unter finanziellen und zeitlichen Nöten leidet.
Mit der Reform kommen neue Aufgaben auf alle im Betreuungswesen tätigen Akteur*innen zu. Diese können im Sinne der Selbstbestimmung rechtlich betreuter Menschen nur erfüllt werden, wenn den Akteur*innen die notwendigen finanziellen und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Reform viele sprachliche Änderungen hervorbringt, deren Wirkung in der Betreuungspraxis gering bleibt.

Hintergrund zur Betreuungsrechtsreform
Dem Referentenentwurf war ein eineinhalbjähriger interdisziplinärer Diskussionsprozess „Selbstbestimmung und Qualität im Betreuungsrecht“ vorgeschaltet. An diesem waren Akteur*innen des Betreuungswesens, Expert*innen sowie Selbstvertreter*innen eingebunden. Über den Deutschen Behindertenrat war auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. beteiligt und formulierte im Rahmen des Diskussionsprozesses erste Positionierungen. Im Mai 2019 stellte das BMJV erste Zwischenergebnisse vor – auch in Einfacher Sprache.