Presse
12.09.2019 Recht und Sozialpolitik

Lebenshilfe: Vorgeburtliche Bluttests diskriminieren Menschen mit Behinderung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet am 19. September darüber, ob vorgeburtliche Bluttests auf Down-Syndrom künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Eine Kundgebung gegen die Tests unter dem Motto „Inklusion statt Selektion“ ist für den 15. September auf dem Berliner Breitscheidplatz geplant.

Sebastian Urbanski, Berliner Schauspieler mit Down-Syndrom und Mitglied im Bundesvorstand der Lebenshilfe
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Sebastian Urbanski, Berliner Schauspieler mit Down-Syndrom und Mitglied im Bundesvorstand der Lebenshilfe

Berlin. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe warnt vor den gesellschaftlichen Folgen, sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Sitzung am 19. September die vorgeburtlichen Bluttests auf Down-Syndrom als gesetzliche Kassenleistung zulassen. „Durch eine Suche auf Kassenkosten werden Menschen mit Behinderung diskriminiert. Denn das Down-Syndrom ist keine Krankheit, sondern Ausdruck menschlicher Vielfalt und gehört dazu“, sagt die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt, MdB, und betont: „Die Bluttests haben keinen therapeutischen Nutzen. Stattdessen führt ein positiver Befund in den meisten Fällen zur Abtreibung des Kindes. Viel wichtiger wäre es, die Rahmenbedingungen für Familien mit einem behinderten Kind so zu verbessern, dass ihnen ein Leben mit voller Teilhabe möglich wird.“

Mit den Tests, die seit 2012 auf dem Markt sind, kann im Blut der Mutter systematisch nach dem Down-Syndrom – auch Trisomie 21 genannt – und weiteren Chromosomen-Veränderungen gesucht werden. Sie gelten als nicht invasive, risikoarme Methode und werden als großer Fortschritt angepriesen, weil das Kind im Bauch der schwangeren Frau zunächst nicht gefährdet wird.  „Aber“, kritisiert die frühere Gesundheitsministerin, „die Tests gaukeln Sicherheit nur vor. Etwa jedes fünfte Ergebnis ist fehlerhaft, die Frauen erwarten gar kein Kind mit Trisomie 21. Je jünger die Frau ist, umso höher die Fehlerquote. Darum müssen zur Bestätigung weitere Untersuchungen wie die invasive und risikoreichere Fruchtwasser-Untersuchung folgen.“

Mit den neuen Verfahren der Pränataldiagnostik gerieten Eltern von Kindern mit Behinderung immer stärker unter Rechtfertigungsdruck, stellt die Lebenshilfe fest. „Das hättet ihr doch wissen und verhindern können“, bekämen Familien mit einem behinderten Kind immer wieder zu hören. „Warum haben viele Menschen so große Angst vor dem Down-Syndrom?“, fragt sich Sebastian Urbanski, der selbst seit 41 Jahren mit dieser genetischen Besonderheit lebt. Der Berliner ist Schauspieler und Mitglied im Bundesvorstand der Lebenshilfe. Er sagt: „Ich lebe gerne und habe viel Freude am Leben. Ich bin glücklich, weil ich mich als Teil der Gesellschaft fühle und einfach dazu gehöre. Manchmal brauche ich zwar etwas mehr Unterstützung, aber die braucht ja jeder mal.“

Wie schon zur ethischen Orientierungsdebatte am 11. April im Bundestag wird es auch vor der Sitzung des G-BA eine Kundgebung gegen die Bluttests als Kassenleistung in Berlin geben. Unter dem Motto „Inklusion statt Selektion“ werden auf dem Breitscheidplatz am Sonntag, 15. September, von 11 bis 13 Uhr, Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu Wort kommen. Für die Bundesvereinigung Lebenshilfe wird Sebastian Urbanski sprechen.


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