Wie komme ich zu meinem Heilmittel?
In diesem Beitrag erklären wir, was Heilmittel sind, nach welchen Vorgaben sie verordnet werden können und welche weiteren Besonderheiten zu beachten sind.
Was sind Heilmittel?
Ein Heilmittel ist eine medizinische Leistung, die von einer Therapeut*in persönlich erbracht wird. Darin unterscheiden sich Heilmittel von sogenannten Hilfsmitteln (wie einem Rollstuhl oder einem Hörgerät), bei denen es sich um Gegenstände handelt, mit deren Hilfe beispielsweise körperliche Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können.
Heilmittel sind Maßnahmen der:
- Physiotherapie,
- Stimm-, Sprech-, Sprach oder Schlucktherapie,
- Podologie,
- Ernährungstherapie oder
- Ergotherapie.
Nur Heilmittel, die in dem sogenannten Heilmittelkatalog aufgeführt werden, sind für eine regelkonforme Verordnung durch Kassenärzt*innen bzw. Krankenhäuser zugelassen.
Den Inhalt des Heilmittelkataloges und den Rahmen der Verordnungsmöglichkeiten gibt die Heilmittel-Richtlinie vor. Die Heilmittel-Richtlinie beinhaltet auch Vorgaben für Heilmittelerbringer, die Heilmittelbehandlung selbst und eine Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf.
Hinweis: Für bestimmte Heilmittel ist in der Anlage 1 der Heilmittel-Richtlinie außerdem ausdrücklich geregelt, dass sie nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Dies gilt zum Beispiel für die “Hippotherapie”, eine Form der Krankengymnastik, bei der ein Pferd als Therapiemittel eingesetzt wird. Ebenso ist die “Petö-Therapie”, die darauf abzielt, die Selbstständigkeit von Kindern mit Bewegungsbehinderung mittels eines ganzheitlichen therapeutischen Konzepts zu fördern, ausgeschlossen worden. Diese Heilmittel können damit nicht über die Krankenkasse finanziert werden. Allerdings können die Therapien im Einzelfall über die Eingliederungshilfe als Leistung zur Teilhabe gewährt werden.
Weniger Bürokratie bei der Heilmittel-Verordnung
Der Anspruch auf die Versorgung mit Heilmitteln setzt neben einer positiven Listung im Heilmittelkatalog immer auch eine ärztliche Verordnung voraus. Die Verordnung von Heilmitteln war früher sehr bürokratisch geregelt. Ärzt*innen konnten nur eine bestimmte Menge an Verordnungen für ein Heilmittel ohne Begründung und Genehmigung der Krankenkassen ausstellen. Es wurde davon ausgegangen, dass diese Anzahl reicht, um das angestrebte Therapieziel im Regelfall zu erreichen.
Weitere Verordnungen bedurften der ärztlichen Begründung und der Genehmigung der Krankenkasse. Man sprach von sogenannten Verordnungen außerhalb des Regelfalles. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht galt nur, wenn es sich um einen neuen Behandlungsfall handelte, weil innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Wochen keine Behandlung erfolgt war. Nach Ablauf dieses sogenannten behandlungsfreien Intervalls konnten Ärzt*innen wieder Verordnungen ohne Genehmigung der Krankenkasse ausstellen, obwohl die Verordnungsmenge für den Regelfall eigentlich bereits ausgeschöpft war.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 wurde dieses Verfahren vereinfacht:
- Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen Verordnungen innerhalb und außerhalb des Regelfalles.
- Vielmehr wird nun nur noch eine sogenannte orientierende Behandlungsmenge definiert, die keine zwingende Vorgabe enthält.
- Sie kann von Ärzt*innen überschritten werden, ohne dass es einer Begründung auf der Verordnung und der Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf.
- Insofern ist auch die Bedeutung des sogenannten behandlungsfreien Intervalls von zwölf Wochen entfallen.
Allerdings sind die Behandlungseinheiten, die pro Verordnung bewilligt werden können, weiterhin durch die Vorgaben des Heilmittelkatalogs begrenzt.
Beispiel: Ärzt*innen dürfen bei Wirbelsäulenerkrankungen mit einer Verordnung auch weiterhin nur sechs Behandlungseinheiten bewilligen. Bei einer Behandlungseinheit pro Woche reicht die Verordnung damit für sechs Wochen. Danach müssen Patient*innen die Arztpraxis erneut für die Ausstellung einer Folgeverordnung aufsuchen. Allerdings kann die Ärzt*in jetzt einfacher weitere Folgeverordnungen ausstellen, bis das Therapieziel tatsächlich erreicht ist. Denn eine Genehmigung der Krankenkasse ab einer bestimmten Anzahl von Verordnungen ist nicht mehr erforderlich.
Besonderer Verordnungsbedarf und langfristiger Heilmittelbedarf
Für Menschen mit langfristigem Heilmittelbedarf oder besonderem Verordnungsbedarf gilt auch die Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl an Behandlungseinheiten pro Verordnung nicht. Ärzt*innen können die Versorgung mit Heilmitteln mit der ersten Verordnung für einen Zeitraum von zwölf Wochen veranlassen.
- Besonderer Verordnungsbedarf: Einen besonderen Verordnungsbedarf haben Menschen mit einer schweren Erkrankung (zum Beispiel Multiple Sklerose oder bestimmte rheumatische Erkrankungen), die naturgemäß mehr Heilmittel benötigen.
- Langfristiger Heilmittelbedarf: Ein langfristiger Heilmittelbedarf liegt bei einer schweren und beständigen Beeinträchtigung vor.
Die Erkrankungen, die einen langfristigen Heilmittelbedarf oder einen besonderen Verordnungsbedarf begründen, sind in einer gemeinsamen Diagnoseliste aufgeführt. Auch wenn die Diagnose nicht auf der Liste steht, kann ein langfristiger Heilmittelbedarf bestehen. Versicherte müssen in diesem Fall allerdings bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Feststellung bzw. Genehmigung des Bedarfs unter Vorlage der Verordnung stellen.
Fristen für Heilmitteltherapien
Nach Ausstellung der Verordnung müssen Versicherte die Behandlung innerhalb von 28 Kalendertagen beginnen. Tun sie dies nicht, verliert die ärztliche Verordnung ihre Geltung, und es muss eine neue Verordnung eingeholt werden.
Heilmittel in Schulen und Kindergärten
Kinder und Jugendliche mit Behinderung, die eine Regelschule oder einen Regelkindergarten besuchen, können in diesen Einrichtungen mit den erforderlichen Heilmitteln versorgt werden. Dafür muss kein Hausbesuch verordnet werden. Das Gleiche gilt für spezielle Fördereinrichtungen. Die Verordnung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Heilmittelbehandlung bereits im Rahmen der Frühförderung erfolgt.
Heilmittelbehandlung per Video
Grundsätzlich können Heilmittelbehandlungen ausschließlich in der Praxis der Therapeut*in, im häuslichen Umfeld und unter bestimmten Voraussetzungen in Schulen und Kindergärten erbracht werden.
Allerdings können Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, Ergotherapie, bestimmte Arten der Physiotherapie und Ernährungstherapie auch als Videobehandlung durchgeführt werden. Die Voraussetzungen sind in § 16b der Heilmittel-Richtlinie geregelt. Darüber hinaus kann auch die Verordnung von Heilmittel-Behandlungen in der Videosprechstunde erfolgen (§ 3 Absatz 3a der Heilmittel-Richtlinie; siehe oben).
Zuzahlung bei Heilmitteln
Die Zuzahlung bei Heilmitteln beträgt für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zehn Prozent der Kosten des Heilmittels zuzüglich zehn Euro je Verordnung.