Eingliederungshilfe und das Bundesteilhabegesetz
© Lebenshilfe/David Maurer
Familie
Rechtstipp | Stand: 01.01.2024 #Eingliederungshilfe

Recht der Eingliederungshilfe – Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz

Menschen mit Behinderung brauchen oft Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen. Diese Unterstützung sollen insbesondere die Leistungen der Eingliederungshilfe gewährleisten. Das Ziel ist eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am Leben.

Recht der Eingliederungshilfe – Änderungen durch das BTHG

  • Das Recht der Eingliederungshilfe wurde durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in weiten Teilen zum 1. Januar 2020 neu geregelt.
    • Es ist seitdem nicht mehr Bestandteil der Sozialhilfe im Sozialgesetzbuch 12 (SGB XII).
    • Es ist nun in Teil 2 des Sozialgesetzbuchs 9 (SGB IX) zu finden.
  • Eine der wesentlichsten Änderungen betrifft die Trennung der Fachleistung der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen.

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Wer bekommt Leistungen der Eingliederungshilfe?

  • Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderung, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder die von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind.
  • Bei der Prüfung, ob eine geistige Behinderung wesentlich ist, gilt: Es kommt für die Beurteilung nicht entscheidend auf den Umfang der Beeinträchtigung an, sondern darauf, wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabe auswirkt. Deshalb darf auch nicht einfach auf den Grad der Behinderung oder den ermittelten Intelligenzquotienten (IQ) abgestellt werden.
  • Allerdings dient der IQ in der Praxis oft dazu, zur Vereinfachung bestimmte Annahmen zu treffen. Beispielsweise wird in der Praxis bei einem IQ von unter 50 regelmäßig von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Teilhabemöglichkeiten und damit einer wesentlichen geistigen Behinderung ausgegangen.
  • Konkretisierungen zum leistungsberechtigten Personenkreis enthält die Eingliederungshilfe-Verordnung. Die dortigen Regelungen sind sprachlich nicht mehr zeitgemäß. Sie sollten deshalb mit dem BTHG neu gefasst werden, ohne den Personenkreis zu verändern. Allerdings konnte man sich im Gesetzgebungsverfahren nicht auf eine neue Regelung verständigen. Vielmehr entschied man, sich diesem Thema zunächst intensiver mit Hilfe von Expert*innen zu widmen. Daher gelten die bisherigen Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe-Verordnung noch immer fort. Eine Neuregelung der Verordnung ist zwar weiterhin geplant, jedoch nicht vor 2024 zu erwarten.
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Welche Leistungen gibt es in der Eingliederungshilfe?

Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind sehr vielfältig. Sie sind in Teil 2 des SGB IX zusammengefasst und in vier Leistungsgruppen aufgeteilt.

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Was bedeutet Wunsch- und Wahlrecht?

  • Ein wichtiger Grundsatz im Recht der Eingliederungshilfe ist das Wunsch-­ und Wahlrecht, das in § 104 Absatz 2 und 3 SGB IX geregelt ist. Die Vorstellung des Menschen mit Behinderung zur Gestaltung der Leistung soll bei der Entscheidung über die Leistung berücksichtigt werden.
  • Das Wunsch-­ und Wahlrecht greift dann, wenn ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe dem Grunde nach besteht (»Ob«), jedoch mehrere geeignete Alternativen denkbar sind (»Wie«). Das ist z. B. der Fall, wenn verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen.
  • Nach § 104 SGB IX muss Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden, wenn diese angemessen sind.

Folgende Punkte müssen hierbei geprüft werden:

Was steckt hinter der „Trennung der Leistungen“?

  • Durch das BTHG wurde das System der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 grundlegend umgestaltet.
  • Bisher unterschied die Eingliederungshilfe zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen.
    • Der entscheidende Unterschied bestand darin, dass teilstationäre und stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe neben der eigentlichen Eingliederungshilfeleistung in Form der Unterstützung (z. B. Assistenz) auch den Lebensunterhalt sicherstellten (Komplexleistung).
    • Verpflegung und Unterkunft waren bei stationären Leistungen bisher Bestandteil der von der Wohneinrichtung erbrachten und vom Sozialhilfeträger finanzierten Eingliederungshilfeleistung. Der Mensch mit Behinderung, der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen hat, erhielt deshalb bisher Regelsatz und Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht direkt ausgezahlt. Er bekam lediglich einen Barbetrag (Taschengeld) und die Kleiderpauschale.
  • Seit 2020 sind die Leistungen der Eingliederungshilfe nun klar von den existenzsichernden Leistungen getrennt. Sie umfassen jetzt nur noch die Fachleistungen der Eingliederungshilfe (z. B. Assistenzleistung), nicht mehr existenzsichernde Anteile.

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Wie bekomme ich Leistungen der Eingliederungshilfe?

Um möglichst zügig alle erforderlichen Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten, ist es wichtig zu wissen, an wen man sich wenden muss und welche Verfahrensregelungen zu beachten sind.

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Wie ist die Kostenbeteiligung bei Leistungen der Eingliederungshilfe?

  • Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach wie vor abhängig von Einkommen und Vermögen.
  • Allerdings wird nicht mehr auf das Einkommen und Vermögen der jeweiligen Partner*in abgestellt. Damit kommt es nur noch auf das Einkommen und Vermögen des Menschen mit Behinderung an. Wenn die leistungsberechtigte Person allerdings minderjährig ist und mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil in einem Haushalt lebt, wird auch auf das Einkommen und Vermögen der Eltern bzw. des Elternteils abgestellt.
  • Menschen mit Behinderung bzw. die einstandspflichtigen Eltern eines Minderjährigen müssen sich jedoch nicht an jeder Leistung der Eingliederungshilfe finanziell beteiligen. Der Gesetzgeber hat bestimmte Leistungen festgelegt, die ohne Kostenbeteiligung gewährt werden. Die Heranziehung von Einkommen und Vermögen unterscheidet sich daher je nach der Art der Eingliederungshilfeleistung.

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Müssen Eltern volljähriger Kinder mit Behinderung einen Unterhaltsbeitrag für die Leistungen der Eingliederungshilfe zahlen?

  • Eltern volljähriger Kinder mit Behinderung müssen für Leistungen der Eingliederungshilfe, die ihr Kind bezieht, keinen Unterhaltsbeitrag zahlen – unabhängig von ihrem Jahreseinkommen.
    • Hinweis: Wenn das volljährige Kind mit Behinderung neben den Leistungen der Eingliederungshilfe auch Leistungen nach dem SGB XII wie Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe zur Pflege bekommt, müssen Eltern für diese SGB XII-Leistungen nur noch einen Unterhaltsbeitrag von 32,47 Euro bzw. 42,20 Euro zahlen, wenn ihr Jahreseinkommen jeweils über 100.000 Euro liegt (§ 94 Absatz 1a und Absatz 2 SGB XII). Liegt ihr Jahreseinkommen jeweils darunter, müssen sie auch für diese Leistungen keinen Unterhaltsbeitrag mehr leisten.

Hilfreiche Links zum Thema: Eingliederungshilfe und Bundesteilhabegesetz

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